Das japanische Parlament hat Gesetze verabschiedet, die Spenden als betrügerisch einstufen, die durch „Angst“ motiviert sind und bei denen der „freie Wille“ der Spender angeblich unterdrückt wurde.
Von Massimo Introvigne
Artikel 1 von 4.
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Am 10. Dezember 2022 verabschiedete das japanische Parlament ein Gesetz zur teilweisen Überarbeitung des Verbrauchervertragsgesetzes und ein Gesetz zur Verhinderung ungerechtfertigter Spendenaufrufe durch juristische Personen und andere Personen.
Ungewöhnlicherweise wurden die Gesetze an einem Wochenende verabschiedet, was unterstreicht, dass sie von der Regierung und den Parlamentariern als dringend angesehen wurden. Was war eigentlich so dringend?
Am 8. Juli 2022 wurde der ehemalige japanische Premierminister Shinzo Abe in Nara, Japan, ermordet. Sein Mörder war ein gewisser Tetsuya Yamagami. Als Grund für die Ermordung von Abe gab er an, dass der ehemalige Premierminister im Jahr 2021 mit einem Video und im Jahr 2022 durch das Senden einer Botschaft an zwei Veranstaltungen teilgenommen hatte, die von der Universal Peace Federation organisiert wurden, einer Nichtregierungsorganisation mit allgemeinem Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, die mit der vom verstorbenen Reverend Sun Myung Moon gegründeten Vereinigungskirche verbunden ist. (Sie heißt jetzt Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung, obwohl die Medien weiterhin die Bezeichnung „Vereinigungskirche“ oder „ehemalige Vereinigungskirche“ verwenden, und ich werde mich dieser Verwendung anschließen).
Yamagami hasste die Vereinigungskirche, weil seine Mutter vor zwanzig Jahren, im Jahr 2002, in Konkurs gegangen war und er ihren Ruin auf die übermäßigen Spenden zurückführte, die sie an diese Kirche geleistet hatte, deren Mitglied sie immer noch ist. Yamagami plante ursprünglich auch, die derzeitige Leiterin der Vereinigungskirche, Reverend Moons Witwe Dr. Hak Ja Han Moon, zu ermorden, entschied sich aber schließlich dafür, Abe zu töten.
Fast über Nacht – was den Verdacht aufkommen lässt, dass bereits zuvor eine Kampagne vorbereitet worden war, die nur auf eine günstige Gelegenheit wartete – starteten die Gegner der Vereinigungskirche einen massiven und beispiellosen Angriff gegen die religiöse Bewegung und überzeugten die meisten Medien und, wenn man Umfragen glauben darf, die Mehrheit der japanischen Öffentlichkeit, dass die Organisation von Reverend Moon für das Verbrechen verantwortlich sei. Die verdrehte Argumentation lautete: Hätte Yamagamis Mutter nicht an die Vereinigungskirche gespendet, hätte ihr Sohn keinen Groll gegen sie gehegt und kein Attentat auf Abe verübt.


Die Gegner der regierenden Liberaldemokratischen Partei, der Abe angehörte, sprangen auf den fahrenden Zug auf, darunter auch die Kommunistische Partei Japans, die sich jahrzehntelang über die erfolgreichen antikommunistischen Aktivitäten der mit der Vereinigungskirche verbundenen Organisationen in Japan empört hatte. Das Nationale Netzwerk von Anwälten gegen spirituelle Verkäufe, eine Anti-Sekten-Gruppe von Anwälten, die sich gegen die Vereinigungskirche stellte, wurde fast über Nacht international bekannt. Ex-Mitglieder der Vereinigungskirche, darunter einige, deren Geschichten nachweislich falsch waren, wurden ebenfalls zu Berühmtheiten und schafften es sogar, vom japanischen Premierminister empfangen zu werden.
Diese ganze Agitation mündete in zwei Gesetzesinitiativen, von denen eine darauf abzielte, der Vereinigungskirche/Familienföderation ihren Status als religiöse Körperschaft zu entziehen, und die andere auf eine Änderung der bestehenden Verbraucherschutzgesetze, um diejenigen zu schützen, die übermäßig an religiöse Organisationen spenden. Der Begriff „spirituelle Verkäufe“ wurde von den linken Medien und den Anti-Sektengruppen erfunden, um den Verkauf bestimmter Artefakte, von denen angenommen wird, dass sie Glück bringen oder eine spirituelle Bedeutung haben, zu überhöhten Preisen bloßzustellen. Später wurden auch „Verkäufe ohne einen materiellen Gegenstand“, d. h. Spenden, dazu gezählt.
Am 10. Dezember 2022 wurde das Verbrauchervertragsgesetz, das bereits im Jahr 2000 unter dem Druck der Anwälte, die die „spirituellen Verkäufe“ angeprangert hatten, geändert worden war, weiter abgeändert, um Bestimmungen einzufügen, die Verträge, welche unter Ausnutzung der „Angst um das Leben, die Gesundheit, das Eigentum und andere wichtige Dinge der Verbraucher oder ihrer Angehörigen“ geschlossen wurden, für nichtig erklären und den Rücktritt von solchen Verträgen und die Rückerstattung von Zahlungen erleichtern. Die Bestimmung über das Recht auf Rücktritt von Verträgen gilt rückwirkend, es sei denn, die nach dem früheren Gesetz festgelegte Verjährungsfrist war bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits abgelaufen.
Das ebenfalls am 10. Dezember verabschiedete neue Gesetz gegen „ungerechtfertigte Spendenaufforderungen“ enthält einen umstrittenen Artikel 3.1, der die „Unterdrückung des freien Willens von Personen“ bei der Aufforderung zu einer Spende für rechtswidrig erklärt, sowie in Artikel 4 eine Auflistung von sechs Umständen, die darauf hinweisen, dass die Spende nicht aus freien Stücken erfolgt ist.
Die Fälle 1 bis 4 beziehen sich dabei anscheinend auf physische Gewalt: Diejenigen, die um eine Spende bitten, weigern sich zu gehen, auch wenn der potenzielle Spender sie darum bittet; die Spender selbst werden daran gehindert, einen bestimmten Ort zu verlassen, oder sie werden an einen Ort gebracht, an dem es für sie schwieriger ist, dem Druck zu widerstehen; oder sie werden daran gehindert, sich telefonisch oder auf andere Weise mit Dritten zu beraten, auch wenn sie die Absicht geäußert haben, dies zu tun.
Fall 5 bezieht sich auf ein altes Problem, das nichts mit Religion sondern vielmehr mit Liebesbeziehungen zu tun hat, wenn einer der Partner damit droht, den anderen zu verlassen, falls dieser ein bestimmtes [größeres] Geschenk verweigert. Wie man weiß, kommt dies durchaus vor und ist schwer zu verhindern.


Die Kontroversen um die Vereinigungskirche nach der Ermordung von Abe werden in Fall 6 angesprochen, der am problematischsten ist. Dort werden die Fälle als betrügerisch angesehen, in denen der potenzielle Spender auf der Grundlage eines angeblichen „Wissens, das auf Inspiration oder anderen besonderen Fähigkeiten beruht, die schwer nachzuweisen sind“, umworben und davon überzeugt wird, dass „es unbedingt erforderlich ist, Leben, Körper, Eigentum oder andere wichtige Dinge der Person oder ihrer Angehörigen zu geben, um einen schwerwiegenden Nachteil zu vermeiden.“ In diesem Fall wird bei den Gebern die „Angst“ erzeugt, dass ihnen oder ihren Angehörigen „in der Gegenwart oder in der Zukunft“ „schwerwiegende Nachteile“ treffen könnten, wenn sie es nicht tun.
Artikel 5 verbietet die Schenkung des Hauses, in dem der Spender wohnt, sowie von Immobilien oder anderen Gütern, die für die Fortsetzung der normalen Geschäftstätigkeit des Spenders unerlässlich sind.
Der verbleibende Teil des Gesetzes befasst sich mit der Unterstützung von Opfern betrügerischer Spenden in Zusammenarbeit mit „relevanten Organisationen“ (ich frage mich, ob man das National Network of Lawyers Against Spiritual Sales und andere Gruppen mit einer ideologischen Anti-Sekten-Agenda dazu zählen würde); die Möglichkeit für die japanischen Behörden, die Namen der Einrichtungen zu veröffentlichen, gegen die wegen unzulässiger Spendenwerbung ermittelt wird; und die Rechtsmittel, die getäuschten Spendern offen stehen, um das, was sie gespendet haben, wiederzuerlangen. Das Gesetz gilt nicht rückwirkend, aber es werden lange Verjährungsfristen von bis zu zehn Jahren eingeführt. In Artikel 12 wird gefordert, dass die Religionsfreiheit bei der Durchsetzung des Gesetzes zu „berücksichtigen“ ist, aber es ist unklar, wie dies in der Praxis geschehen soll.
Während einige der Bestimmungen vernünftig sind – sicherlich darf die Anwendung von körperlicher Gewalt zum Einwerben von Spenden nicht erlaubt sein; allerdings frage ich mich, ob dafür ein neues Gesetz benötigt wurde –, sollten wir nicht vergessen, dass die Gesetze, obwohl sie einen allgemeinen Geltungsbereich haben, verabschiedet wurden, um religiöse Spenden und die Vereinigungskirche ins Visier zu nehmen. Insofern haben sie zwei sehr problematische Aspekte. Erstens verbieten sie Spenden, die auf der Behauptung einer religiösen „Inspiration“ oder auf religiöser „Angst“ beruhen. Zweitens erklären sie, dass Spender ihres freien Willens beraubt sein könnten. Diese Themen sind jedoch nicht neu und werden tatsächlich seit Jahrhunderten diskutiert. Ich werde in den nächsten Artikeln dieser Serie darauf zurückkommen.